Begrüßungsrede zum Anlass des ersten deutsch-marokkanischen
Kulturforums in Agadir am 27.03.2015
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,
sehr geehrte Vertreter aus Wissenschaft und
Forschung,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
nach dem demokratischen Frühling im Nordafrika erfuhren die
deutsch-marokkanischen Beziehungen eine bemerkenswerte Entwicklung in
verschiedenen Bereichen. Es gab gegenseitige Besuche zwischen den politischen
und wirtschaftlichen Akteuren beider Länder. Die Unterzeichnung der
Rabat-Erklärung am 12.09. 2013 zwischen dem deutschen Außenminister und seinem
marokkanischen Amtskollegen war ein wichtiges Ereignis in den bilateralen
Beziehungen. Diese Erklärung zielt darauf ab, die deutsch-marokkanischen
Beziehungen weiterzuentwickeln und zu vertiefen. Darüber hinaus will sie einen
Rahmen für die deutschen bzw. marokkanischen Akteure, Individuen, Stiftungen
und die Zivilgesellschaft schaffen, um diese Beziehungen nach vorne zu bringen.
Beim letzten Besuch des deutschen Außenministers Frank Walter Steinmeier in
Marokko wurden zahlreiche Abkommen unterzeichnet, damit man die Rabat-Erklärungsinhalte
in die Tat umsetzen kann und es dafür eine Dynamik gibt. So wird Marokko ein
wichtiger strategischer Partner von Deutschland am Südrand des Mittelmeers
sein, wofür es allerdings eines starken Willens und Feldarbeiten bedarf.
Im Rahmen dieses aktuellen Kontextes, geprägt von positiver Entwicklung der
bilateralen Beziehung zwischen den beiden Ländern in verschiedenen Bereichen,
kommt die Idee, ein deutsch-marokkanisches Kulturforum in Agadir zu
organisieren. Dieses hat zum Ziel einen Beitrag zur Weiterentwicklung und
Förderung des kulturellen Austausches zwischen den beiden Ländern zu leisten.
Es zielt ebenso darauf ab, die Möglichkeiten zur Stärkung der Zusammenarbeit
und der kulturellen Kooperation mit Deutschland zu besprechen. Die Kultur und
Kunst haben eine große Rolle bei der Kommunikation und der Bildung der
Individuen, um einander zu verstehen und auszutauschen. Das Kulturforum sollte
eine Möglichkeit der Akademiker und Forschern geben, um sich miteinander
auszutauschen. Uns ist die Bedeutung des Kulturaustausches heutzutage bewusst
und deswegen bedürfen wir der Kunst, der Literatur, um uns zuerst und dann den
Anderen zu verstehen und uns daran zu erinnern, dass die Menschlichkeit uns
einigt. Dazu ist der Kulturaustausch das beste Mittel, um eine kulturelle
Verständigung zwischen den Gesellschaften und auch eine Art Vertrauen zu
verwirklichen.
![]() |
Kolloquium zum Thema: deutsche Föderalismus und Regionalisierung in Marokko |
Das Forum enthielt zwei wissenschaftliche Sitzungen, Treffen mit Deutschen
und Marokkanern und interessante vielfältige Beiträge. Dabei wurden auch
deutsche Stiftungen und deren Programme präsentiert, die die Zivilgesellschaft
durch Ausbildungen fördern, zur Entwicklung der ländlichen Gebiete beitragen
und die deutsch-marokkanische Partnerschaft im Bereich der Bildung befördern.
Am letzten Tag des Forums gab es einen Ausflug nach Igodar. Von dort gingen wir
nach Tamza, einem Dorf in Anti-Atlas, wo uns der Verein „ Tamza Waman“ empfing,
um das von der deutschen Entwicklungsbank betreute Projekt der lokalen
Entwicklung in diesem Dorf zu besichtigen.
Was diese Ausgabe kennzeichnet, ist, dass verschiedene Themen bezüglich der
deutsch-marokkanischen Beziehungen aus unterschiedlichen Perspektiven von
kulturellen und zivilgesellschaftlichen Akteuren, Akademikern, Politikern,
Journalisten und Studierenden besprochen wurden.
Am ersten Tag des Forums wurden die kulturellen Erfahrungen der deutschen
und marokkanischen Künstler präsentiert. In der ersten Präsentation unter dem
Titel „Deutschland-Marokko: Kreuzvisionen“ ging es um die Vorstellung von Fotos
der beiden Fotografen Uli Rohde aus Deutschland und Rachid Tagoulla aus
Marokko. Was diese zwei Fotografen vereint, ist ihre große Liebe für die
Fotografie und Reisen. Sie sind zwei Fotografen aus verschiedenen
Kulturgemeinschaften und sehen die Welt aus verschiedenen Perspektiven.
In dieser Präsentation wurden Fotos der Fotografin und Forscherin Uli Rohde
in Marokko und die von Rachid Tagoulla in Deutschland gezeigt. Dabei wird
Marokko aus Perspektiven einer Deutschen und Deutschland aus der eines
Marokkaners gezeigt und wahrgenommen. Somit kennt man sich durch den Anderen.
Diese Präsentation hat auch zum Ziel die Stereotypen abzuschaffen und einen
Dialog miteinander zu führen.
Die zweite Präsentation unter dem Titel „ zwischen zwei Welten“ stammte von
einer Deutschen, Silvia Brutschin. Sie
entdeckt den Zauber Marokkos durch ihre Reise in seine Gebirge und Wüsten.
Durch ihren Kontakt mit den Marokkanern konnte sie Erfahrungen sammeln und die
kulturelle und sprachliche Vielfalt Marokkos entdecken. Zuerst war sie in
Marokko nur zum Urlaub und zum zweiten Mal wegen des Studiums. Jetzt lebt sie
in Marokko wegen der Arbeit.
In ihrer Präsentation geht sie auf die kulturellen und natürlichen
Potenziale Marokkos ein und zeigt, was ihr an Marokko gefällt und was nicht.
Sie zieht einen Vergleich zwischen dem Leben in der marokkanischen und der
deutschen Gesellschaft. Trotz der Unterschiede konnte Silvia sich relativ gut in die marokkanische Gesellschaft
integrieren, erklärte sie in ihrer Präsentation.
In meiner Präsentation erzählte ich über meine Erfahrung im deutschen
Bundestag im Rahmen des Internationalen Parlamentsstipendiums für Staaten
Nordafrikas und des Nahen Ostens.
Das Alumni Portal Deutschland präsentierte Hamid Boukharez. Es ist ein
Projekt von der Stiftung Alexander von Humboldt, dem Zentrum der
internationalen Migration, dem DAAD und dem deutschen kulturellen Institut.
Viele deutsche Ministerien fördern das Projekt und es steht unter
Schirmherrschaft der GIZ.
Am zweiten Tag ging es um deutschen Föderalismus und die fortgeschrittene
Regionalisierung in Marokko in einem Kolloquium zwischen dem Professor an der
Universität Ibn Zohr, Rachid Guedira und dem deutschen Mitarbeiter im Deutschen
Bundestag, Peter Fässler. Dieses Kolloquium kam zu einer Zeit, in der Marokko
eine Diskussion über die Regionalisierung und deren Kriterien auf allen Ebenen
erfährt. Dabei fordert die Zivilgesellschaft, dass die internationalen
Kriterien der territorialen Teilung eingehalten werden. So müssen die
kulturellen, historischen und ökonomischen Gegebenheiten der Regionen bei der
Teilung berücksichtigt werden.
Rachid Guedira geht in seinem Beitrag auf den Entwurf des Regionalismus
nach der Verfassung von 2011 und die Rolle der Zivilgesellschaft bei der
Schaffung und Umsetzung des Entwurfes des Regionalismus ein. Seinerseits
präsentierte Dr. Peter Fässler das deutsche Modell und seine historischen
Hintergründe. Er zeigte, wie der deutsche Föderalismus sich im Laufe der
Geschichte entwickelt hat und dessen Beitrag bei dem Fortschritt auf der Ebene
des Bundes und der Länder.
Der richtige Ausbau eines demokratischen Systems basiert auf einem starken
föderalistischen System wie von Deutschland, der Schweiz, Belgien und Kanada,
damit ein Land bzw. eine Region unabhängig bei der Verwaltung seiner bzw. ihrer
Angelegenheiten in verschiedenen Bereichen sein kann.
Im Beitrag von Khalid Oubla ging es um die Studien und orientalistische
Forschung von Hans Stum, der sich auch mit der amazighischen bzw. berberischen
Kultur auseinandersetzte. Er beschäftigte sich mit den berberischen
Überlieferungen in Marokko. Die Studien der Deutschen über Marokko sind zwar
wenige, aber sehr reich im Vergleich zu denen der Franzosen.
In diesen Studien lässt sich das alltägliche Leben der Marokkaner klar erkennen.
In der Präsentation von Abderrahim Bougayou befasst dieser sich mit der
Rolle der Medien zur Stärkung des deutsch-marokkanischen Kulturdialogs, am
Beispiel von Timatarin. Timatarin ist eine Online-Zeitschrift, die sich für die
interkulturelle Kommunikation einsetzt und die Brücke zwischen der deutschen
und marokkanischen Gesellschaft schlagen will. Sie will Nordafrika für die
deutschsprachigen Länder zeigen und die Forschung über die Geschichte und die
Kulturen zu fördern.
Lahsen Handi konzentrierte sich in seinem Beitrag auf „die
deutsch-marokkanischen Beziehungen nach dem demokratischen Frühling“. Er zeigte die Bereiche auf, in denen eine
Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern dynamisch und aktiv ist. Er ging
auch auf die Herausforderungen für diese Zusammenarbeit nach dem demokratischen
Frühling ein.
Eins möchten wir hervorheben und zwar den Ansatz, dem wir bei der Auswahl
der Themen folgten. Wir hatten Themen wie der Föderalismus und der
Regionalismus, in denen Deutschland und Marokko sich übereinschneiden. Es gab
Präsentationen der Erfahrungen der Deutschen in Marokko und der Marokkaner in
Deutschland. Dazu waren die Partner vielfältig und jeder leistete einen Beitrag
zum deutsch-marokkanischen Kulturaustausch. Es waren Studierende, DozentInnen,
JournalistInnen, Zivilgesellschaft und kulturelle Institute.
Was das deutsch-marokkanische Kulturforum in seiner ersten Ausgabe
kennzeichnet, ist die Teilnahme vieler Jugendlicher, die gerade ihre
akademische Laufbahn angefangen haben. Von ihnen erwarten wir mehr Forschung
über die deutsch-marokkanische Geschichte und mehr Engagement für den
Kulturaustausch zwischen den beiden Ländern. Auf sie setzen wir für den Frieden
und interkulturelle Kommunikation.
Die Auswahl für die Organisation dieses Forums trifft auf die Stadt Agadir,
die Hauptstadt der Region von Souss und die Stadt der Deutschen, wie sie wohl
von vielen genannt wird, denn sie hat historische Beziehungen zu Deutschland und verfügt über Potenziale auf
allen Ebenen. Sie gilt als beliebtestes Reiseziel der Deutschen. Durch unsere
Initiative zielen wir darauf ab, die Bedeutung der Stadt Agadir als eine Stadt
des Friedens, des friedlichen Zusammenlebens und des zivilen und kulturellen
Dialogs im Laufe der Geschichte hervorzuheben.
Trotzdem gibt es in Agadir noch keine deutsche Abteilung an der
Universität, was als eine der bedeutenden Voraussetzungen für die kulturelle
und sprachliche Vielfalt gilt.
Schließlich möchten wir klar machen, dass die erste Ausgabe des
deutsch-marokkanischen Kulturforums der Anfang von weiteren Ausgaben in der
Zukunft mit dem Ziel zur Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den deutschen und
marokkanischen Zivilgesellschaften ist. Es wäre ein geeigneter Raum für den
Austausch der Ideen und Erfahrungen zwischen der deutschen und marokkanischen
Gesellschaft.
Ein herzliches Dankeschön möchten alle
aussprechen, die zur Organisation dieses Forums beigetragen haben. Das deutsche Institut für Sprachen (LIAL), das Zentrum des Südens, der Studien und
Forschungen, die Universität Ibn Zohr, das Rathaus Agadir und der Verein „Tamza
n Waman“.
In diesem Zusammenhang besagt ein afrikanisches Sprichwort: Um ein Kind auf
einem Dorf gut zu erziehen, braucht man das ganz Dorf dafür. Es braucht viel
Liebe und Unterstützung. So braucht das Forum nicht nur die Leute eines Dorfes,
einer Stadt oder eines Staates, sondern es braucht die Unterstützung der ganzen
Welt. Herrn Peter Fässler sprechen wir einen besonderen Dank aus. Er machte
sich auf den Weg von Berlin nach Agadir, um zum Erfolg des ersten
deutsch-marokkanischen Kulturforums beizutragen.
Wir danken allen, die an die Idee des Forums geglaubt haben und sie in die
Tat umgesetzt haben. Es war nicht einfach dieses Forum zu organisieren, in dem
es an Unterstützung seitens der für die Kultur zuständigen Institutionen auf
der regionalen und auch nationalen Ebene fehlt. Dazu haben die deutschen
Institutionen in Marokko bei diesem Projekt nicht zusammengearbeitet. Jedoch
sind wir entschlossen und glauben an das, was wir uns vornehmen. Wir haben
trotz der Hindernisse nicht aufgegeben, die uns seit dem Anfang der
Vorbereitungen auf dieses Forum begegneten. In diesem Zusammenhang denke ich an
das Zitat der Anthropologin Frau Margaret Mead, als sie sagte: „ Hab nie
Zweifel an der Fähigkeit von einer kleinen Gruppe von engagierten
Intellektuellen bei der Veränderung der Welt. In der Tat kann niemand ihren
Willen ändern. “
Kontakt:
deutsch.marokkanisches.forum@gmail.com